Rheinwiesenlager


William & Lisa Toel – KURT ’45 – Eine Rheinwiesenlagergeschichte

Diese Geschichte sollte man sich in einer ruhigen Stunde zu Gemüte führen.
William und Lisa Toel bemühen sich, wahres Geschehen der Vergessenheit zu entreißen.
Es geht um das Leid der deutschen Kriegsgefangen in den berüchtigten Lagern der US-Armee am Ende des 2. Weltkrieges.

Auch in Heilbronn gab es ein Rheinwiesenlager

Was bei vielen Heilbronnern überhaupt nicht bekannt oder schon vergessen ist:
Auch das Kriegsgefangenlager im Stadtteil Böckingen auf der Höhe westlich der Schanz gehörte zum Komplex der Rheinwiesenlager.
Dort litten deutsche Kriegsgefangene bis ins Jahr 1947 genauso erbärmlich, wie in den Lagern am Rhein.

Jetzt erinnerte mich eine Freundin auf Whatsapp mit diesem Hörbuch-Video wieder daran, was ich von meiner Mutter aus ihrem eigenen Erleben dazu mitbekommen habe.
Auf ihre Frage, ob ich das kenne, schrieb ich ihr auszugsweise zurück:

Bild: Wikipedia

Nein, davon [vom Video] habe ich noch nichts gehört. Ich bekomme aber immer wieder Anfragen zum Gefangenenlager bei uns, erst letzte Woche wieder.
Wußtest Du übrigens, daß es hier nicht nur das Lager westlich der „Schanz“ gab, sondern auch südlich davon ein weiteres, dessen genaue Funktion bis heute unerforscht ist?
Ich habe da schon vor Jahren recherchiert. Von meiner Mutter habe ich darüber viel erfahren. Als ich in den Gemeinderat kam, habe ich das Thema aufgegriffen. Auch beantragt, daß der damalige Stadtpfarrer Zimmermann gewürdigt wird. Man hat per Ideenklau dann schnell eine Gedenktafel am Kraichgauplatz aufgestellt und nach Z. eine Straße benannt. Aktuell wurde das Ganze später nochmals, als das Lager im Buch eines Kanadiers erwähnt wurde und unser Chefarchivar die Sache herunterspielen wollte (oder sollte). Ich habe das auch im Web, müßte mal nachschauen  [ + ].
Das Buch ist von James Baque und heißt „Der geplante Tod“. Unser Stadtarchivar Prof. Dr. Schrenk ließ dann den Doktoranden Christof Strauß als „Forschungsauftrag“ ein konformes Buch schreiben, das vom Stadtarchiv aufgelegt wurde und als QF10 unter dem Titel „Kriegsgefangenschaft und Internierung – Die Lager in Heilbronn-Böckingen 1945-1947″ erschienen ist. Herrn Schrenk habe ich damals wissen lassen, daß es nichts Neuerforschtes beinhaltet, sondern aus allen möglichen bereits bekannten Quellen zusammengetragen wurde.“

Ihre weitere Frage: „Das bedeutet, dass das zweite Lager nicht erwähnt wurde?

Antwort: „Doch, das wurde von Strauß erwähnt, aber nichts darüber erforscht. Das Thema ist ja schon zuvor nur deshalb überhaupt aus der Versenkung gekommen, weil ich eine Anfrage auf Hinweis des sich an mich wendenden ehemaligen CDU-Stadtrates Prof. Manfred Tripps mit grausigem Hintergrund dazu gemacht habe (ich wußte bis dahin auch nichts vom 2. Lager – nicht einmal meine Mutter wußte davon!). Das Archiv wollte seine Hinweise ignorieren.

In meinen damals herausgegebene „Hintergründen aus Politik und Zeitgeschehen“ Nr. 740 griff ich am 7.10.2003 das Thema ebenfalls auf  [ + ].

Antwort zur Anfrage


Stadtarchiv Heilbronn
– Dr. Schlösser –

Fraktion der Republikaner im Gemeinderat der Stadt Heilbronn
c/o Herrn Stadtrat Alfred Dagenbach

Datum 11.12.2002

Verschleppung von Deutschen aus Heilbronn nach Frankreich
Ihre Anfrage vom 2.12.2002

Sehr geehrter Herr Dagenbach,

Ihre Fragen vom 2. Dezember 2002

1. Welche Erkenntnirse hat die Verwaltung über völkerrechtswidrige Verschleppungen deutscher und ausländischer Kriegsgefangener aus dem Böckinger Gefangenenlager zur Zwangsarbeit nach Frankreich?
2. Welche Erkenntnisse hat die Verwaltung über Verschleppungen Heilbronner Bürger zur Zwangsarbeit nach Frankreich
a) die im Böckinger amerikanischen Gefangenenlager interniert waren
b) in anderer Weise ?
3. Wieviele kamen davon jeweils dabei ums Leben?

können wir wie folgt beantworten:

Die Überstellung von im amerikanischen Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen aus dem Kriegsgefangenenlager Bockingen zu einem z.T. mehrjährigen Arbeitseinsatz nach Frankreich erfolgte aufgrund einer im Dezember 1944 zwischen den USA und Frankreich getroffenen Übereinkunft, wonach sich die Alliierten bereit erklärt hatten, Frankreich Kriegsgefangene als Arbeitskräfte für den Wiederaufbau zu überstellen. Dieser Vorgang hat sich in den im Stadtarchiv vorhandenen Unterlagen nicht niedergeschlagen, da deutschen Behörden daran nicht beteiligt waren.

Christof Strauß, der sich in seiner 1998 erschienen Dissertation „Kriegsgefangenschaft und Internierung. Die Lager in Heilbronn-Böckingen 1945-1947“ (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn 10) u.a. auch mit dieser Frage beschäftigt hat, kommt zu folgenden Ergebnissen [Text in eckigen Klammern sind Ergä nzu ngen des Stadtarchivs]:

„lnsgesamt [also nicht nur aus Heilbronn] erhielt Frankreich 740.000 Gefangene aus amerikanischen Lagern, wobei auf Druck der USA und des Roten Kreuzes 60.000 offensichtlich arbeitsunfähige Lagerinsassen allerdings umgehend wieder entlassen und weitere 70.000 an die amerikanische Gewahrsamsmacht zuruckgegeben wurden. Neben harter körperlicher Arbeit bei unzureichender Ernahrung wurden von den verbliebenen Gefangenen viele zum Dienst in der Fremdenlegion gezwungen oder völkerrechtswidrig zum Minenräumen eingesetzt.

Wieviele Gefangene aus Heilbronn nach Frankreich zum Arbeitseinsatz verbracht wurden, ist nicht zu rekonstruieren. Vom 1.April bis zum 30. Juni 1945 meldete CONAD [=Continental Advance Section Communications Zone; das war ein militärischer Stab zur unmittelbaren logistischen Unterstützung der 6. alliierten Armeegruppe] für alle vier Lager [= C 1+2 in Ludwigshafen-Rheingönnheim und C 3+4 in Böckingen] insgesamt über 200.000 Gefangene als ,,evacuated“ an ,,lntermediate“ und ,,Base Sections“ in Frankreich. Ob allerdings alle Gefangenen einem Arbeitseinsatz zugeführt wurden, ist unklar.“ (S. 314)

Auf telefonische Ruckfrage hat Herr Dr. Strauß uns am 9. Dezember 2002 bestätigt, dass er für diese Fragestellung in amerikanischen Archiven nach einschlägigem Quellenmaterial gesucht hat. Er hat dort aber nur allgemeine, zusammenfassende Berichte und keine auf Einzelpersonen bezogenen Unterlagen gefunden. Deshalb konnte er die genaue Zahl der aus Heilbronn Überstellten ebensowenig rekonstruieren wie deren weiteres Schicksal. Auch in den von ihm benutzten deutschen Archiven waren keine Unterlagen vorhanden, die Rückschlüsse auf Einzelpersonen zugelassen hätten.

In französischen Archiven könnte möglicherweise eine detailliertere Überlieferung für diese Überstellungen existieren. Unseres Wissens hat das für Heilbronn aber noch niemand überprüft.

Dies ist der derzeitige Kenntnisstand bezüglich der Überstellung von Kriegsgefangenen aus Heilbronn nach Frankreich.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christhard Schrenk Direktor

MF an die Stadträte Dr. Christian Haellmigk und Alexander Schonath
sowie an die Bezirksbeiräte Heiko Auchter, Marco Daum, Michael Schönemann


Replik dazu

An das
Stadtarchiv Heilbronn

Verschleppung von Deutschen aus Heilbronn nach Frankreich
Unsere Anfrage vom 2.12.2002
Ihre Antwort vom 11.12.2002

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre rasche Beantwortung.

Es ist bedauerlich, dass sich bisher niemand über diese Schicksale bemüht hat. Es scheint wohl auch so zu sein, dass Dr. Strauß sich mehr um die Rehabilitierung der US-Besatzungsmethoden und Relativierung der dabei begangenen Kriegsverbrechen bemüht hat denn an der Aufklärung von Sachverhalten.

Immerhin war Anlaß seiner Aktivitäten Baques Buch „Der geplante Tod“. Dr. Strauß hat dazu mehr oder weniger das zusammengetragen, was andere vor ihm schon erforscht haben, wie die umfangreichen Fußnoten und Verweise zeigen.

Etwas grundsätzlich Neues ist seinem Werk nicht zu entnehmen.

Etwas Neues wäre es aber gewesen, wenn er das Schicksal dieser armen Kreaturen erforscht hätte, die, wie Sie schreiben „zu einem z.T. mehrjährigen Arbeitseinsatz nach Frankreich“ „aufgrund einer im Dezember 1944 zwischen den USA und Frankreich getroffenen Übereinkunf“ überstellt wurde, erforscht hätte.

Dem Unterzeichner ist z.B. bekannt, dass der Sohn einer Familie aus der dem Gefangenlager gegenüberliegenden Haselter-Siedlung zuerst als Gefangener an der Mutter vorbei ins Lager gebracht wurde und von dort ebenfalls an der Mutter vorbei per Bahn nach Frankreich verschleppt wurde und erst nach Jahren schwer krank zurück kam. Der Sohn war nie Soldat!

Herr Dr. Strauß hätte sich auch über das 2 Lager auf Böckinger Gemarkung (C4) bemühen können, das offensichtlich von der Außenwelt so abgeschottet war, dass dessen Existenz nicht einmal die näheren Anwohner mitbekommen haben, geschweige denn, was dort vor sich ging. Herr Dr. Strauß hätte sich vielleicht einmal bei älteren Böckinger Bauern und deren Erfahrungen beim Pflügen der Felder kundig machen können. Stattdessen hat er aus Archiven längst Bekanntes neu zusammengetragen.

Es ist bedauerlich, dass der derzeitige Kenntnisstand insbesondere bezüglich der Überstellung von Kriegsgefangenen aus Heilbronn nach Frankreich nicht besser ist und angesichts der Qualität der Forschungsmethoden auch nicht besser werden wird.

Mit freundlichen Grüßen

DIE REPUBLIKANER
Fraktion im Gemeinderat der Stadt Heilbronn

Alfred Dagenbach
Fraktionsvorsitzender


Info – Gegen das Vergessen – Für Versöhnung
von Alfred Dagenbach

Vorab eine Bitte:
Die Leiden unserer Eltern und Großeltern haben dasselbe Recht auf ehrenvolle und gerechte Würdigung, wie die aller anderen Opfer von Gewalt und Unrecht in der ganzen Welt.
Jede Debatte sollte deshalb gegen das Vergessen, aber insbesondere der Versöhnung dienen.

Es geht um Gefangenenlager in Amerika und Frankreich, in denen insgesamt eine Million Deutsche umgekommen sein sollen!
Daß 1 Million umgekommen sein sollen, „kann ich nicht glauben. Stellen sie sich das mal vor!! Waren überhaupt 1 Million Leute an der Westfront?? ….“ schrieb dazu ein Diskutant.
Nun, vorab: Die Westfront wurde nicht nur von 25 Mann gehalten.
Entscheidend ist aber, daß die Westmächten (USA und GB) nicht nur die Soldaten der Westfront als PWs hatten, sondern auch jene aus Afrika und Italien. Dazu kamen noch sehr viele von der Ostfront, die beim Rückzug in US- und GB-Hände fielen (viele davon in Österreich, z.B. die Wlassow-Armee, die ja an die Russen ausgeliefert wurden und ein grausames Schicksal gegen de Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung erlitten hat) oder sich bis zu den US- und GB-Armeen durchgeschlagen hatten.
Im übrigen hatten weder die USA noch die Sowjetunion die Haager Landkriegsordnung unterschrieben.
Die Rheinwiesenlager waren übrigens C1 und C2, die weniger bekannten Heilbronner Lager waren C3 und C4. Die Reste von C3 habe ich noch als Kind gesehen.
Mein Schwiegervater war dort z.B. auch Gefangener, obwohl er gegen die Russen gekämpft hat. Er wurde jedoch von den US-Truppen in der Tschechei gefangen genommen.

Das Buch „Der geplante Tod“ ist sehr gut geschrieben und hat natürlich auch Widersprüche hervorgerufen.
Da es auch über die o.g. weniger bekannte Kriegsgefangenenlager C3 und C4 hier in Heilbronn-Böckingen, ca, 200 m Luftlinie von meinem Haus entfernt berichtet hat, war es auch für mich interessant.
Zudem ist meine Mutter Zeitzeugin dafür.
Die Stadt Heilbronn hat sich schnell beeilt, mit Hilfe eines Doktorandens zu relativieren.
Der hat dann ein „Gegenbuch“ geschrieben, aber nur von anderen das abgeschrieben, was die schon abgeschrieben haben.

Es wurde bis heute nicht recherchiert, was im Lager C4, das so abgeschottet war, daß bis heute nur wenige von seiner Existenz wissen, wirklich geschah.
Ich weiß von Bauern, die beim Pflügen Menschenknochen gefunden haben.
Die Besitzer dieses Ackers sind Verwandte eines sehr renommierten Geschichtsprofessors, um den man aber einen großen Bogen macht.
Ich habe darauf das Stadtarchiv aufmerksam gemacht, wo man sich darum überhaupt nicht zu kümmern bereit ist!

Zur Zahl der Gefangenen: Die USA hatten laut dem „Gegenbuch“ (Strauß: „Kriegsgefangenenschaft und Internierung“, 520 Seiten) etwa 3,9 Mio Gefangene (GB=3,5 Mio), davon etwa 400.000 in den USA.
Letzteren ging es relativ gut, insbesondere bis zur Kapitulation.
Deren Arbeitswert betrug in den USA damals etwa 230 Mio Dollar.
Sie wurden jedoch z.T. nicht in die Heimat entlassen, sondern an Frankreich und Belgien überstellt, wo sie wie 900.000 andere als Arbeitssklaven eingesetzt wurden (etwa 20.000 starben dort – auch aus unseren Lagern wurde dorthin abgeschoben*).
Was viele nicht wissen:
Um sich nicht strikt an die Genfer Konvention halten zu müssen anerkannten die USA bei allen Gefangenen, die sie im Frühjahr 1945 machten, nicht den Kriegsgefangenenstatus, was für den Großteil der deutschen Soldaten zutraf.
Sie stuften diese lediglich als DEFs (Disarmed Enemy Forces – entwaffnete Feindkräfte) oder SEPs (Surrendered Enemy Personal – übernommene feindliche Personen) ein.
Auch das Filzen und Mißhandeln der Gefangenen war somit außerhalb der Genfer Konvention.
Ganz schlecht ging es den gefangenen Waffen-SS-Leuten.
Ein US-Zeitzeuge:
„Es war so, daß die einzigen, die wir sofort erschossen, die SSler waren…Obwohl es niemals offiziell zugegeben werden darf, da es ja eine unmittelbare Verletzung der Genfer Konvention ist, töteten wir diese Männer, ob sie sich uns ergeben hatten oder nicht…“
Die Situation war in den englischen Lagern unmittelbar nach der Kapitulation noch am Besten, bei den USA katastrophal.
Die Gefangenen kampierten z.B. im C3 wochenlang bei zum Teil strömendem Regen im Freien, Mann an Mann.
Meine Mutter: „Es sah aus wie ein wogendes Getreidefeld“.
Die Gefangenen durften sich nicht einmal eingraben, geschweige wenigstens Höhlen bauen.
Das IKRK (Rotes Kreuz) stellte noch im Oktober 1945 fest, daß kein ausreichender Schutz vor der Witterung bestand.
Erst darauf wurde es besser.
Die Essensrationen waren bis 9.5.45 noch „2 Dosen C-Ration“, ab 10.5. „1,5 Dosen C-Ration“, ab 12.5. „2x 0,5 Liter Wassersuppe“, danach kamen wechselweise z.B. „Kekse“, etwas Käse, eine Tasse Kaffee, „Wassersuppe mit Lauch“, „85 Gramm Brot“ dazu.
Durch das Lager C3 wurden „Hunderttausende“ durchgeschleust und hatte in der Spitze rund 150.000 Gefangene.
Erst die Zuspitzung der Lage zwischen den Sowjets und den Westmächten verbesserte die Situation der Gefangenen.
Es sah zeitweise nach einer Wiederbewaffnung und Einsatz gegen die Sowjets aus, was offenbar erst – wenn es tatsächlich so geplant gewesen sein soll – viele deutsche Gefangenen vor dem Schlimmsten bewahrt hat.
In anderen Lagern dürfte es nicht anders gewesen sein, was durchaus zumindest das Buch des Kandiers James Bacque mehr als rechtfertigt, der vom Jung-Historiker Strauß als „Amateur-Historiker“ disqualifiiziert wird.
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